KinderOhrclips ist
in Schottland, Vereinigtes Königreich, angesiedelt und wie Sie
sicher wissen, geht es bei uns im Moment drunter und drüber in der
Politik, aufgrund der bevorstehenden Volksbefragung: Möchte das
Vereinigte Königreich weiterhin ein Mitgliedsstaat der EU sein oder
bevorzugt es den unwiderruflichen Austritt, kurz: Brexit.
Als Geschäft muss
man seine persönlichen und auch geschäftlichen Ansichten hinten
anstellen, denn man will ja seine potentiellen Kunden nicht schon im
Vorhinein verärgern (und auch nicht im Nachhinein). Was dem Einen
gefällt, mag dem Anderen ein Dorn im Auge sein. Brexit ist hier ganz
und gar nicht eine Ausnahme, jedenfalls nicht in Großbritannien. Es
ist das Schlagwort, dass die politischen Wogen Europas höher
schlagen lässt, und fiebrige Debatten auslösen kann.
Wir hüten uns in
unserem Blog über Politik zu schreiben, aber da es sich um eine
derart wichtige Entscheidung handelt und die Gefahr unsere
deutschsprachigen Leser zu verstimmen hoffentlich sehr gering ist,
haben wir eine Ausnahme gemacht.
Normalerweise sind
politische Debatten für die meisten von uns langweilig und oftmals
nichts weiter als heiße Luft und leere Versprechungen. Kommt es aber
zu einer so großen Entscheidung wie die Volksabstimmung über
Brexit, stellen sogar die Live-Sendungen der Politikerdiskussionen so
manchen guten Film in den Schatten.
Da wir selber
Immigranten in Schottland sind – es war ursprünglich ein Job, der
uns hierher brachte – dürfen wir selber nicht wählen. Teils ist
dies verständlich, teils auch schade, da dies auch unsere Zukunft
betrifft. Und nach über 10 Jahren im Lande, sehen wir Schottland als
neue Heimat an und nicht mehr als einen Zwischenstopp.
Wie viele unserer
Mitbürger verfolgen auch wir die Argumente der beiden Seite mit
Spannung. Schließlich betrifft uns dies nicht nur aus persönlicher
Sicht, sondern hat auch großen Einfluss über unseren
Familienbetrieb. Die drei Schwerpunkte der Debatten sind: Wirtschaft,
Immigration und Souveränität / Sicherheit.
Als Geschäftsleute
(wenngleich auch nur bescheiden und unbedeutend in der Nationalarena)
stellt das Thema Wirtschaft das Wichtigste dar. Ein Großteil unserer
Verkäufe geht an Endkunden wie Sie in Deutschland, Österreich und
Schweiz, so wie auch an weitere Länder in der EU. Es ist
unwahrscheinlich, dass ein Brexit den freien Handel unbeeinflusst
lassen wird. Weder Sie als Kunde, noch wir sind an Zoll und
Einfuhrbestimmungen interessiert: Längere Lieferzeiten und höhere
Kosten. Ganz gleich ob jetzt der Kunde den aufkommenden Einfuhrzoll
selber bezahlt, oder dieser vom Verkäufer übernommen wird, am Ende
zahlt der Käufer den höheren Preis.
Eine andere Sorge
ist der Umrechnungskurs: Trotz Kursschwankungen zwischen britischem
Pfund und dem Euro sind wir in der Lage, die Preise über lange
Zeiträume hinweg unverändert zu lassen. Sollte der Pfund nach
Brexit stark an Wert verlieren – was sehr wahrscheinlich ist - so
könnten wir im Prinzip unsere Preise senken (solange in Euros
bezahlt wird). Andererseits würden unsere eigenen Kosten und
Einkaufspreise stark steigen: entweder direkt wenn wir von außerhalb
Großbritannien einkaufen, oder indirekt über steigende Preise
unserer Großhändler.
Die anderen Themen
Immigration und Souveränität / Sicherheit sind zwar auch von
immenser Bedeutung, betreffen aber KinderOhrclips nicht direkt. Dies
sind heikle Themen, und im Moment scheint wohl kein führender
Politiker einen konkreten Plan zu haben. Dafür aber große Worte.
Die Befürworter von
Brexit beschweren sich oft, dass die EU zuviel Papierkram für
britische Firmen bringt und es zuviele Vorschriften gibt. Teilweise
stimmen wir dem zu, vertreten aber auch das andere Extrem: Es gibt zu
wenige einheitliche Standards! Wir fordern jetzt nicht, dass alles
standardisiert werden muss – wen interessiert wie gerade die Gurke
im Supermarkt sein muss. Aber wenn es zuviele verschiedene Auflagen
unter den Ländern gibt, die im Prinzip aber gleichwertig sind, so
ist dies für Firmen nicht hilfreich.
Um ein Beispiel zu
geben: Feingehaltsstempeln von Schmuck. Jedes Land hat eigene
Vorschriften: in einem Land ist es illegal Schmuck ohne solchem
Stempel zu verkaufen, ein anderes kümmert sich überhaupt nicht
darum. Ein Feingehaltsstempel von einem britischen Prüfungsamt wird
in anderen Ländern nicht anerkannt, obwohl es zwischen den
Testverfahren in den diversen Ländern keinen Unterschied gibt. Zwar
gibt es einen europäischen Feingehaltsstempel, aber der wird
wiederum nur von einigen Ländern anerkannt und nicht allen Ländern
der EU. Ein Albtraum für ein kleines Familiengeschäft wie das
unsrige. Individualität ist gut, das soll gar nicht bestritten
werden, aber ein gemeinsamer Standard schadet auch nicht. Es
beschwert sich heutzutage wohl niemand, dass das Metermaß oder das
Kilogramm weltweit standardisiert ist (wenn man einmal von den
Amerikanern absieht ;-) ).
Was ist unsere
Position zu Brexit? Auch wir sind der Meinung, dass die EU
gründlicher Reformen bedarf und die Bürokraten ihren Elfenbeinturm
verlassen müssen. Allerdings hat die EU viel zu einem besseren
Europa beigetragen: Die längste Periode von Frieden in Europa.
Bessere Zusammenarbeit unterhalb der Staaten. Freier Handel. Viele
glauben, dass die freie Marktwirtschaft nur den großen Firmen
behilflich ist, aber eine gute Wirtschaft sorgt auch für gute
Steuereinnahmen (sieht man von einigen wohlbekannten multinationalen
Firmen ab) und Arbeitsplätze.
Sollte sich
Großbritannien für einen Austritt aus der EU entscheiden, so werden
wir das Resultat akzeptieren (wir haben auch gar keine andere Wahl).
Es wird sich anfangs auch nichts ändern, da die Beziehung zwischen
Großbritannien und EU Neuverhandlungen bedarf, und diese benötigen
viel Zeit. Sie werden also im Falle eines Brexit nicht schon nächste
Woche mit Einfuhrzoll überrascht werden. Aber langfristig wird ein
Verlassen der EU uns Sorgen bereiten.
Wie es auch immer
ausgehen mag, es lässt sich schön mit einem Zitat aud dem Film
Jurassic Park zusammenfassen: “Das Leben findet einen Weg!” Und
wir werden weiterhin wie gewohnt Ihre Bestellungen bearbeiten und
aussenden :-)
Jedenfalls wird
morgen, 23. Juni, ein spannender Tag sein. Nicht nur für uns oder
Großbritannien, sondern für ganz Europa und dem Rest der Welt. Mal
sehen, zu welchen Nachrichten wir am Freitag erwachen werden.
Liebe Grüße aus
einem (noch) europäischen Schottland,
Ihr KinderOhrclips
Team
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